Thalia Interview mit Peter Wohlleben:

Bücher können das Bewusstsein für Nachhaltigkeit stärken

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Als Förster und Bestsellerautor weiß Peter Wohlleben, wie wichtig der Wald für den Klimaschutz ist und warum wir Bücher brauchen, um die Herausforderungen unserer Gegenwart zu verstehen. Lesen Sie im Interview, wie nachhaltige Forstwirtschaft aussehen kann und welche Verantwortung die Buchhandelsbranche trägt.

„Bücher können das Bewusstsein für Nachhaltigkeit stärken“

Peter Wohlleben

Förster und Bestsellerautor

Wie ist der Zustand der Wälder in Deutschland?

Man könnte meinen, es stehe schlecht um unsere Wälder, aber das betrifft vor allem die „Holzplantagen“, die mit natürlichen Wäldern nicht viel zu tun haben. Dass viele tausend Quadratkilometer solcher Plantagen absterben, ist problematisch, aber es eröffnet auch die Möglichkeit zu unseren natürlichen Ökosystemen zurückzukehren.

Was kann getan werden, um den Wald besser zu schützen und trotzdem den Holzbedarf zu decken?

Die Frage nach dem Bedarf würde ich gerne umdrehen und fragen: Was braucht das Ökosystem Wald, damit es genug Holz liefern kann? Unser Holzbedarf übersteigt die Kapazität der Natur, und die konventionelle Forstwirtschaft bricht sogar großflächig zusammen. Mein Rat: Wir sollten langlebige Produkte fördern und kurzlebige streichen. Über die Hälfte des Holzverbrauchs landet direkt in Öfen oder Kraftwerken, was klimaschädlicher ist als Öl oder Gas. Wenn wir die Holzverbrennung reduzieren, schonen wir das Ökosystem und können den Holzeinschlag verringern.

 

Welche Rolle spielt der Klimawandel, dem die Baumbestände zum Opfer fallen?

Die Anstrengung sollte darin bestehen, die Waldökosysteme zu stärken. Zum Beispiel kühlen sich Wälder durch Wasserverdunstung selbst, im Sommer um etwa 15 Grad. Wälder können sogar Regenwolken produzieren und haben einen Einfluss auf das Lokalklima. Das weiß man schon seit 200 Jahren. Das alles funktioniert aber nur, wenn Wälder nicht zu intensiv genutzt werden und man sie in Ruhe lässt.

Es gibt Kompensationsprojekte, die durch Aufforstung an verschiedenen Orten der Welt CO2 ausgleichen sollen. Sind diese Projekte inzwischen effektiver geworden?

Leider hat sich nicht viel verbessert. UN-Generalsekretär António Guterres hat kürzlich davor gewarnt, solche Projekte zu unterstützen und sie als „Greenwashing“ bezeichnet – zu Recht. Man kann CO2 nicht einfach kompensieren, denn Bäume würden ohnehin Kohlenstoff einlagern, unabhängig von unseren Emissionen. Wir empfehlen Unternehmen, solche Projekte eher als Wiedergutmachung oder als Geschenk an die Natur zu betrachten, ohne sie gegenzurechnen. Wiederaufforstung ist eine Maßnahme, die häufig von Forstverwaltungen inszeniert wird, die zuvor einen Wald kahlgeschlagen haben. Diese werden dann häufig mit nicht-heimischen Baumbeständen bepflanzt, woraus wieder die „Holzplantagen“ entstehen, von denen ich schon gesprochen habe. Deshalb rate ich dringend davon ab und empfehle stattdessen in Schutzgebiete zu investieren, aus denen sich der Mensch vollständig heraushält.

Welche Verantwortung trägt die Buchbranche mit Bezug auf Nachhaltigkeit?

Die Buchbranche hat eine doppelte Verantwortung. Erstens betrifft das den Rohstoff selbst: Wo wird Holz eingekauft, und sind die Lieferketten entwaldungsfrei? Es gibt auch viele kleine wichtige Schritte. Zum Beispiel kann man Verpackungsmüll dadurch reduzieren, dass man Bücher nicht mehr in Plastik einschweißt. Aber Bücher sind mehr als physische Produkte, sie transportieren Ideen und können das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz stärken.

Gibt es aus Ihrer Sicht eine wachsende Müdigkeit gegenüber Themen wie Nachhaltigkeit oder Klimaschutz?

Viele Menschen schalten angesichts der vielen Krisen ab und schauen keine Nachrichten mehr – eine Art Eskapismus, was ich schade, aber verständlich finde. Aber viele Menschen sind auch sehr sensibel für das Thema Nachhaltigkeit, und diese Sensibilität könnte man besser nutzen, um eine positive Aufbruchsstimmung zu schaffen. Ein inspirierendes Beispiel ist Medellín in Kolumbien, wo durch Grünkorridore und die Pflanzung von 800.000 Bäumen die Temperaturen gesenkt wurden. Wir sollten uns darauf konzentrieren, besser mit der Natur umzugehen, anstatt in einer depressiven Stimmung zu verharren. Die Rahmenbedingungen sind da, mit der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und dem Montreal-Abkommen, das die Renaturierung von 30 % der Landfläche in Deutschland vorsieht. Die Politik sollte eine solche Aufbruchsstimmung fördern, denn der Kampf gegen den Klimawandel kann viele positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte freisetzen.

 

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